Mönche und Königskinder

rp210996Das Sonnenlicht tanzt auf den bunt gefärbten Blättern alter Bäume. Japanischer Flieder, Rotbuche, Serbische Fichte, Birke und Lerche wechseln einander ab, überragt nur von dem gigantischen Kalifornischen Mammutbaum. Thüringen ist für sein Farbenspiel im Herbst bekannt. Aber selten findet man so große und schöne Parkanlagen wie in Friedrichroda am Hang des Thüringer Waldes. Der Ort ist umgeben von dichten Berg-Mischwäldern. Die Häuser ziehen sich aus dem engen Tal an den Hängen hinauf und versinken im Herbst in einem Meer von goldgelben Blättern.

Doch der Ausflug lohnt nicht nur zum „Lustwandeln“. Denn seit weni­gen Wochen gibt es in Friedrichroda den ersten Thüringer Fischlehrpfad. Auf einer Länge von 1,3 Kilometern schlängelt sich der Lehrpfad über das Schloßgelände, vorbei an zahlreichen Fischteichen und durch unberührte Natur. Acht Schautafeln säumen den Weg und erläutern das Leben heimi­scher Tiere unter Wasser und über Wasser. Die Geschichte der Fischzucht in Thüringen begann im 11. Jahrhundert mit dem Bau des Klosters Reinhardsbrunn. Benediktiner-Mönche bewirtschafteten das Kloster, betrieben eine Mühle, eine Bäckerei und eine Braue­rei, sie ernährten sich weitgehend autark. Was aber sollten die Mönche während der Fastenzeit zu sich nehmen, wenn der Verzehr von Fleisch und die Jagd auf warmblütiges Wild untersagt war? Sie entdeckten den Fisch für sich, genauer den Karpfen, und legten damit den Grundstein für einen bis heute bestehenden Wirtschaftszweig.
Südlich von Friedrichroda, am Kneipptretbecken beginnt eine Wan­derung, auf den 573 Meter hohen Gottlob. Wer mag, kann nackten Fußes im kühlen Quellwasser das Tretbeckens vorab seinen Kreislauf in Gang bringen und sich für den Aufstieg stärken. Vorbei am Freiluft-Bergtheater schlängelt sich der Pfad den Hang hinauf. Auf der Kuppe ist bei klarem Wetter eine Aussicht auf Gotha oder Weimar keine Seltenheit.Während man die Schönheit der Natur genießt, lohnt es sich, an den armen Vasallen zu denken, der diesem Berg seinen Namen gab. Es heißt, er habe aus Liebe die hübsche Kunigun­de, Tochter von König „Ludwig mit dem Barte“, auf seinen Armen von der Schauenburg durch das Tal bis auf diesen Gipfel getragen. Dort angekommen, sank er zu Tode erschöpft zu Boden und flüsterte mit letzter Kraft: „Gottlob, nun ist sie mein!“ Rheinische Post 21.09.1996